Konjunktur- und Marktkommentare

Die Kosten von Cash: Eine Sechs‑Billionen‑Dollar‑Frage

In diesen PIMCO-Perspektiven wird untersucht, inwiefern das Comeback der Anleihenrenditen zu einem günstigen Zeitpunkt erfolgt, um eine Abkehr von Cash zu überdenken.

Im Jahr 2023 begab sich Bruce Springsteen auf eine einjährige Tour durch die USA. Aus gesundheitlichen Gründen musste er diese im September nach einem Konzert in den Meadowlands im US-Bundesstaat New Jersey jedoch abbrechen. Da er kein Mensch ist, der seine Fans im Stich lässt, kurierte er sich gründlich aus und verschob die abgesagten Termine auf das Jahr 2024. Jetzt steht der Sänger wieder auf der Bühne und begeistert seine Fans, die ihn letztes Jahr nicht zu Gesicht bekommen hatten, mit atemberaubenden dreistündigen Shows – unter anderem bei einem denkwürdigen Auftritt im April in Südkalifornien.

Zwischen dem „Boss“ und dem heutigen Anleihenmarkt gibt es eine Parallele. So wie Springsteens Fans eine zweite Chance erhalten haben, ihn live zu erleben, bekommen auch Anleger, die das Renditehoch von Anleihen im vergangenen Jahr verpasst haben, eine weitere Chance – schließlich sind die Renditen derzeit so hoch wie seit dem letzten Herbst nicht mehr.

Im Oktober 2023 erreichte die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen ein kurzfristiges Hoch bei rund 5,2 Prozent, bevor sie in den darauffolgenden Monaten um mehr als einen Prozentpunkt abgab. Dank einer Reihe solider Konjunkturdaten, der zähen Inflation und des breiter gefassten Themas der US-amerikanischen Ausnahmestellung wurde die Marke von fünf Prozent kürzlich wieder geknackt. Für Anleger ist das Beste daran, dass dieser Anstieg zu einem günstigen Zeitpunkt erfolgt, um einen Ausstieg aus dem Geldmarkt und eine Sicherung längerfristiger Anleihenrenditen in Betracht zu ziehen. Dem wollen wir nun auf den Grund gehen.

In Wartehaltung

Zurzeit sind mehr als sechs Billionen US-Dollar an Bargeld in Geldmarktfonds geparkt (siehe Abbildung 1) und damit doppelt so viel wie im Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Der klare Vorteil von liquiden Mitteln ist ihre vermeintliche Sicherheit. Der potenzielle Nachteil sind dagegen ihre Opportunitätskosten. Aus der Tatsache, dass Cash derzeit eine höhere Rendite abwirft als Anleihen – wenn auch nur um magere 20 Basispunkte –, ziehen einige Anleger dennoch den Schluss, dass „nur Bares Wahres“ ist.

Abbildung 1 ist ein Liniendiagramm, das den Mittelbestand der Geldmarktfonds von 1990 bis heute nach Angaben der US-Notenbank zeigt. Dieser belief sich im Jahr 1990 anfänglich auf rund 400 Milliarden US-Dollar und weitete sich bis 2008 schrittweise auf zwei Billionen US-Dollar aus. Im Anschluss an die Finanzkrise von 2009 wuchs das Fondsguthaben auf mehr als drei Billionen US-Dollar an und hielt sich anschließend etwa zehn Jahre lang unter dieser Marke auf. Zu Beginn der Pandemie machte es einen Sprung auf etwa fünf Billionen US-Dollar und verharrte dort im Jahresverlauf 2022, um Anfang 2024 einen Höchststand von rund 6,3 Billionen US-Dollar zu erreichen. 

Dem stimmen wir nicht zu. Wir glauben vielmehr, dass zahlreiche Anleger nicht rechtzeitig auf die Wende im geldpolitischen Zyklus reagiert haben – vielleicht verunsichert durch den extremen Inflationsschub im Jahr 2022. Knapp zwei Jahre später sind sie noch immer zu stark in Barmittel investiert und somit übermäßig hohen und zunehmenden Opportunitätskosten ausgesetzt.

Aus historischer Sicht schnitt Cash in dieser Zyklusphase, in der die US-Leitzinsen auf ihrem höchsten Stand sind und die Währungshüter kurz vor einer Zinssenkung stehen, fast nie besser ab als Anleihen. Lediglich im Jahr 1981 mussten Anleiheninvestoren nach dem ersten Zinsschritt etwas länger als ein Jahr warten, bis sie eine höhere Rendite als Cash erzielten.

In allen anderen Zyklen seit 1980 verging maximal ein Jahr, bis Anleihen den Geldmarkt übertrafen. Und zwar nicht nur in geringem Maß: Im Lauf des auf das US-Leitzinshoch folgenden Jahres entwickelten sich Core-Plus-Anleihenportfolios – also Anleihenportfolios mit kurzen und mittleren Laufzeiten – im Schnitt um rund fünf Prozentpunkte besser als liquide Mittel, gemessen an dreimonatigen US-Schatzwechseln, sowie um rund 4,5 Prozentpunkte in den drei darauffolgenden Jahren (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 ist ein Säulendiagramm, das die Wertentwicklung dreimonatiger US-Schatzwechsel, kurzfristiger Anleihen, Kernanleihen und Core-Plus-Anleihen im Lauf der US-Zinserhöhungszyklen zeigt. US-Schatzwechsel werden durch den Citigroup Index approximiert, die anderen Anlageklassen über die jeweilige Morningstar-Kategorie. Die erste der drei Säulengruppen zeigt die Wertentwicklung ein Jahr vor dem US-Leitzinshoch auf; hierbei stellen US-Schatzwechsel die anderen Anlageklassen in den Schatten. Die zweite Gruppe zeigt die Wertentwicklung ein Jahr nach dem Zinshoch auf und die dritte die annualisierte Wertentwicklung drei Jahre nach dem Zinshoch. In den letzten beiden Szenarien entwickeln sich alle Anleihenkategorien besser als Schatzwechsel, allen voran Core-Plus-Strategien. Als Zinserhöhungszyklen werden Zeiträume bezeichnet, in denen die US-Notenbank einen nachhaltigen Kurs der Erhöhung des Zielzinssatzes und/oder des Zielbereichs einschlägt. Das Ende eines Zinserhöhungszyklus definieren wir als den Monat, in dem die Fed ihren höchsten Leitzins für diesen Zyklus erreicht. Die berücksichtigten Zinserhöhungszyklen begannen in den Jahren 1980, 1983, 1988, 1994, 1999, 2004 und 2015. 

Das ergibt auch Sinn. Denn aus mathematischer Sicht bedarf es für Anleihen nur wenig, um Geldmarktanlagen in den Schatten zu stellen, was ihrer längeren Duration – also ihrer höheren Sensitivität gegenüber Zinsänderungen – zu verdanken ist. So kann ein Renditerückgang um nur etwa 80 Basispunkte bereits Kursgewinne mit sich bringen und dafür sorgen, dass ein Portfolio aus kurz- und mittelfristigen Laufzeiten doppelt so viel abwirft wie Bargeld (entsprechend dem historischen Durchschnitt).

Das Einzige, was Anleger derzeit von der Investition dieser Mittel abhält, ist wohl die Möglichkeit, dass sich die US-Notenbank Fed zu einer Kehrtwende und einer entsprechenden Anhebung (anstelle einer Senkung) der Zinsen gezwungen sehen könnte – eine verständliche Sorge. In diesem Szenario, das wahrscheinlich einen weiterer Inflationsanstieg voraussetzt, hätte der Leitzins seinen höchsten Stand noch nicht erreicht und die Zinsstrukturkurve würde sich noch weiter umkehren, was Cash möglicherweise einen noch größeren Vorsprung gegenüber Anleihen einräumen würde.

Das halten wir aber für unwahrscheinlich. Auch wenn die jüngsten Wachstums- und Inflationsdaten eindeutig positiv überrascht haben und anstehende Zinssenkungen somit verzögern könnten, gehen wir nach wie vor davon aus, dass die US-Notenbanker darauf bedacht sind, ihre Zinswende noch in diesem Jahr einzuläuten. Nach der Notenbanksitzung der vergangenen Woche betonte Fed-Chef Jerome Powell, dass die Zinsen weiterhin restriktiv blieben, eine weitere Erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt aber „unwahrscheinlich“ sei. Hinzu kommt, dass China zu große Mengen produziert und seine Deflation mittlerweile in weite Teile der Weltwirtschaft exportiert.

Wie bereits in unseren zuletzt veröffentlichten PIMCO-Perspektiven angemerkt, bleiben wir zurückhaltend gegenüber länger laufenden US-Staatsanleihen, was dem erhöhten Angebot, der Schuldendynamik und dem Fehlen einer angemessenen Laufzeitprämie zuzuschreiben ist (lesen Sie hierzu unseren Beitrag „Zurück in die Zukunft: Laufzeitprämien dürften wieder steigen – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Preise von Vermögenswerten“). Zugleich waren inverse Zinskurven in der Vergangenheit nicht lange von Bestand. Seit den 1970er-Jahren nahm die Zinskurve zwölf Mal einen inversen Verlauf an. Diese seltenen Zeiträume waren im Schnitt etwa sieben Monate lang. Der jetzige hält schon seit rund zwei Jahren an. Der ehemals längste Zeitraum – von 1978 bis 1980 – dauerte dagegen 20 Monate. Wir befinden uns also wirklich in der Schlussphase.

Gleiche Chance für Anleger

Als die Anleihenrenditen im Jahr 2021 erstmals ins Bodenlose fielen, sprachen wir mit vielen versierten Finanzvorständen, die Schuldtitel ausgaben und ihr Laufzeitprofil verlängerten. Dabei konnten sie sich über die Ausgabe länger laufender Titel historisch niedrige Kreditkosten sichern.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Zyklus können wir als Anleger ein analoges Verhalten an den Tag legen: Erwägen Sie, mit Ihrem Vermögen auf die gleiche Weise zu verfahren. Versuchen Sie, sich jetzt höhere Renditen zu sichern, bevor sich der Zyklus wieder umkehrt. Denn Barzinsen sind nur über Nacht garantiert und sollten zurückgehen, wenn die Fed ihre Zinswende schlussendlich einläutet. Eine Verlängerung des Laufzeitprofils könnte ebenfalls eine clevere Strategie sein.

Autor

Marc P. Seidner

CIO Non-traditional Strategies

Pramol Dhawan

Portfoliomanager

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