Konjunktur- und Marktkommentare

Paukenschlag zum Auftakt: Fed lockert Zügel

Aus unserer Sicht nimmt die US-Notenbank Kurs auf weitere Zinsschritte in den nächsten Sitzungen, um die Geldpolitik wieder in Einklang mit einer mittlerweile „normaleren“ US-Konjunktur zu bringen.

Im Anschluss an ihre Sitzung vom September kündigte die US-Notenbank (Fed) ihren ersten Zinsschritt seit 2020 an – und zwar mit einem Paukenschlag. Die Währungshüter senkten den Leitzins um 50 Basispunkte (Bp) und warfen ihre bisherigen Zinsprognosen über den Haufen. Gemäß der neuen Medianprognose sollte der Leitzins per Ende 2025 in einer Spanne von 3,25 Prozent bis 3,5 Prozent rangieren – 150 Basispunkte unter dem aktuellen Niveau und damit deutlich näher an den Schätzungen für den langfristig neutralen Leitzins.

Die Handlungen der Fed lassen vermuten, dass sich das Gleichgewicht der Risiken für die Inflation und die Beschäftigung aus ihrer Sicht verschoben hat, was eine zügigere Anpassung hin zum neutralen Niveau rechtfertigt, als viele Notenbankbeamte zuvor angenommen hatten. Die historische Betrachtung der US-Zinssenkkungszyklen seit Mitte des 20. Jahrhunderts zeigt, dass eine anfängliche Zinssenkung um 50 Basispunkte in der Regel einem rezessionären Lockerungszyklus vorausging oder einen solchen signalisierte – also eine generell stärkere oder länger andauernde Zinswende mit dem Ziel, der lahmenden Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen.

Wir glauben nicht, dass sich die US-Wirtschaft derzeit in einer Rezession befindet; das Konsumklima bleibt robust, und das Investitionswachstum scheint sich zu beschleunigen. Dennoch scheinen die US-Währungshüter ihren Fokus wegen des nachlassenden Inflationsdrucks auf das heimische Wachstum und die Arbeitsmärkte zu richten, indem sie ihre Geldpolitik an die heutige Wirtschaftssituation anpassen. Diese sieht inzwischen viel „normaler“ aus, da die pandemiebedingten Schocks, die den starken Preisauftrieb entstehen ließen, kaum noch spürbar sind.

Wir nehmen an, dass die Fed ihren Leitzins bei jeder der nächsten Sitzungen um je 25 Basispunkte senken wird. Dabei orientiert sie sich aber weiterhin an der aktuellen Datenlage: Sollte sich der Arbeitsmarkt schneller als erwartet abkühlen, sind energischere Zinsschritte zu erwarten.

In drei Monaten kann sich viel ändern

Die Vertreter der US-Notenbank haben ihre Konjunktur- und Zinsprognosen im Vergleich zum Juni erheblich korrigiert. Seither haben die Beschäftigungs- und Inflationsdaten bei vielen Anlegern für Überraschung gesorgt und eine gewisse Marktvolatilität ausgelöst. Das Risikogleichgewicht für das doppelte Mandat der Fed hat sich ein wenig von der Inflation – die noch immer geringfügig über der Zielmarke liegt, sich aber nachhaltig in die richtige Richtung bewegt – hin zur Beschäftigung verlagert, die nach wie vor relativ robust ist, aber Anzeichen von Schwäche zeigt.

In der aktualisierten Medianprognose der Notenbanker für die konjunkturelle Entwicklung bis zum Jahresende 2024 spiegeln sich die jüngste Daten wider: Die Ratsmitglieder hoben ihre Prognose für die Arbeitslosenquote auf 4,4 Prozent (von 4,0 Prozent) und senkten ihre Prognose für die Kerninflation auf 2,6 Prozent (von 2,8 Prozent). Auf dieser Grundlage wurden die mittleren Zinsprognosen für 2024 und 2025 um jeweils 75 Basispunkte nach unten angepasst. Die Fed scheint eine raschere Normalisierung der Geldpolitik anzustreben, um die Beschäftigung zu stärken und das Wirtschaftswachstum auf breiter Front zu stützen.

US-Wirtschaft und -Politik kehren zur „Normalität“ zurück

Ebenso wie bei der Konjunktur ist auch bei der Geldpolitik mit einer Normalisierung zu rechnen. Der Weg zurück zur Normalität muss zwar nicht ungeordnet verlaufen, könnte die Wirtschaft jedoch anfälliger für unvorhergesehene Schocks machen – vor allem dann, wenn die Geldpolitik übermäßig restriktiv bleibt.

Wegen des nachlassenden Inflationsdrucks, des verhalteneren realen BIP-Wachstums und der rückläufigen Neueinstellungen scheint die Fed stärker darauf fokussiert, die Wirtschaftsaussichten zu stabilisieren. Diese Einschätzung stimmt in unseren Augen mit der zügigeren Rückkehr hin zu neutralen Leitzinsen überein, die von den neuen Zinsprognosen der Fed-Vertreter impliziert wird. Diesem Zinspfad liegt vermutlich eine anhaltende Konjunkturstärke in den USA zugrunde: Tatsächlich sagen die Medianprognosen der Fed ein durchweg solides Wachstum von zwei Prozent voraus, während sich die Arbeitslosenquote nur 20 Basispunkte über dem aktuellen Niveau einpendeln sollte. Der Zinsmarkt preist mittlerweile einen Zinssenkungszyklus ein, der typisch für eine weiche Landung (oder das Ausbleiben einer Rezession) ist; dennoch könnte der Markt größere Zinsschritte antizipieren, wenn die Rezessionsrisiken gewaltig zunehmen. Unter dem Strich glauben wir, dass die Fed in diversen wirtschaftlichen Szenarien Spielraum für weitere Zinssenkungen hat.

Große Bandbreite von Ansichten

Die Fed-Sitzung im September machte auch deutlich, wie sehr die Meinungen der Ratsmitglieder auseinandergehen. So sprach sich Fed-Gouverneurin Michelle Bowman gegen eine Zinssenkung um 25 Basispunkte aus – der erste Dissens eines Vorstandsmitglieds seit 2005. Das Punktdiagramm zur Zinsprognose für 2024 deutet darauf hin, dass die Entscheidung zwischen einer Zinssenkung um 25 oder 50 Basispunkte knapp war und neun Amtsträger entweder keine oder nur eine weitere Zinssenkung bis zum Jahresende befürworten. Die anderen neun Ratsmitglieder scheinen auf die erste Senkung um 50 Basispunkte im September eine Reihe weiterer Zinsschritte um 25 Basispunkte zu billigen.

Die große Bandbreite der Zinsprognosen für 2025 – die zwischen den einzelnen Ratsmitgliedern um bis zu 125 Basispunkte abweichen – führt uns vor Augen, wie groß die Unsicherheit bezüglich der Zukunft von Wirtschaft und Politik ist. Die Inflation (gemessen am Verbraucherpreisindex) präsentierte sich im August höher als erwartet – eine Mahnung, dass die Risiken zwar geringer sind, die Inflationsrate aber noch nicht zur Zielmarke der Fed zurückgekehrt ist. Zugleich birgt die zuletzt nachlassende Dynamik am Arbeitsmarkt das Risiko einer nach unten ausbrechenden Inflation, was den expansiven ersten Zinsschritt der Fed erklärt.

Anlagekonsequenzen

Aus historischer Sicht schnitten Anleihen mittlerer Laufzeit im Zuge von US-Zinssenkungszyklen tendenziell besser ab als liquide Mittel. Da die Fed mit einem Paukenschlag startet, könnte es für die Anleger von Vorteil sein, sich die noch immer attraktiven Renditen mittelfristiger Papiere zu sichern. Des Weiteren gehen Anleihen mit Absicherungseigenschaften einher – für den Fall, dass eine härtere Landung die Fed dazu veranlasst, das Tempo ihrer Zinsschritte zu erhöhen. Mehr über die Vermögensanlage in Zeiten der Zinswende erfahren Sie in unserem aktuellen Beitrag der Kategorie PIMCO-Perspektiven: „Zinssenkungen und Anlageüberlegungen“.

AUTOREN

Tiffany Wilding

Volkswirtin Nordamerika

Allison Boxer

Economist

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